Kein Vergessen - Der Mord von Fichtenau: Achtung Trigger-Warnung

Fichtenau – eine beschauliche Gemeinde mit 4.600 Einwohnern im Süden Deutschlands. Vor fast 15 Jahren erschüttert ein brutaler Mord die Gemeinschaft. Alkohol, Sex und Gewalt spielen eine zentrale Rolle. Über die Friedhofs-Killer und ihr Urteil

 

 Bild: Tatort Unterdeufstetten, von Lisa-Marie Irschik

Im Jahr 2010 bin ich 13 Jahre alt. Oft bin ich bei meinen Großeltern in Michelbach an der Lücke, Baden-Württemberg zu Besuch. Ich fahre gerne Fahrrad. Stundenlang vom Hof aus über die Straße, einen Fußweg entlang, um den Baum der Nachbarstraße und wieder zurück. Eines Tages fallen mir vier Personen auf, die vor dem Nachbarshaus auf der Eingangstreppe sitzen. Es war eine dünne Frau, ein sehr dicker Mann und Freddy R. Nebendran ein jüngerer Mann mit zwei Kindern. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Schließlich handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus.

15 Minuten später steht die Polizei im Hof des Mehrfamilienhauses. Meine Oma befiehlt mir im Haus zu bleiben. Ganz zu meinem Nachteil, da ich wissen will, was da vor sich geht. Neugierig, wie Kinder so sind, klebe ich mit der Nase an der Scheibe und versuche die Szene mitzuverfolgen. Vergebens. Oma warnt mich, dass ich mit diesen Leuten weder sprechen solle, noch mich in ihrer Nähe aufhalten.

Später sehe ich diese vier Leute immer wieder vereinzelt vor demselben Haus. Freddy R. kenne ich bereits. Er bringt seine Tochter morgens immer zur Bushaltestelle. Sie geht mit meinem Cousin in die Klasse. Ein nettes Mädchen. Freddy R. ist schon öfters in Kontakt mit meiner Oma gewesen, da sie eine Wohnung in ihrem Mehrfamilienhaus frei hat. Es befindet sich genau gegenüber. Freddy R. hat des Öfteren sein Interesse an dieser freien Wohnung geäußert, jedoch ist er zu spät dran und die Wohnung wird an den ersten Interessenten vergeben.

Die Nacht vom 3. Dezember auf den 4. Dezember 2010 verändert einfach alles. Am darauffolgenden Montag wird sogar die Grundschule in Wallhausen überwacht. Man vermutet, dass Freddy R. seine Tochter entführen würde und sie mit auf seine Flucht nimmt. Warum?

Am 3. Dezember 2010 begehen die Vier einen brutalen Mord. Das Opfer: ein 51- jähriger Arbeiter aus Wildenstein, Fichtenau. Die Südwest Presse berichtet damals, die Leiche sei übel zugerichtet und auf dem verschneiten Friedhof des Ortes Unterdeufstetten in Fichtenau abgelegt worden. Eine Blutspur führe vom Friedhof aus zu einem benachbarten Häuschen. Die Bewohner seien schon durch Gewalt und negative Vorfälle bekannt. Das Häuschen selbst: leer. Die Täter: Schrotthändler Thomas W., Thomas W. jun., Freddy R. und Stefanie P.

Die vier Täter quälen ihr Opfer mit Schlägen, Stromstößen und heißem Wasser, berichtet die Stuttgarter Zeitung. Es gibt bereits mehrere Bezeichnungen für den Tatort und die Täter. Aus den Medien beispielsweise: „Das Freudenhäuschen“ oder „die Friedhofs-Killer“. Die Tat selbst ereignet sich über Stunden. Das Quartett habe einen 51-jährigen Bekannten in Fichtenau im Alkohol- und Drogenrausch ermordet und auf dem Friedhof abgelegt. Angeblich solle der damals 43- jährige Schrotthändler Thomas W. angeleitet haben, wie die Mittäter das Opfer quälen sollten. Hinzu käme eine sexuelle Perversion, die sie mit dem Opfer und untereinander ausgeführt haben, so die Stuttgarter Zeitung in einem Bericht vom 17.06.2011.

Wer mehr darüber wissen möchte, kann sich auch den Kriminalpodcast der AKTE SÜDWEST im Internet anhören: https://www.swp.de/lokales/crailsheim/podcast-_akte-suedwest_-folge-7_-der-_friedhofs-mord_-von-fichtenau-unterdeufstetten-53874711.html

Heute, fast 15 Jahre später, stehe ich vor dem „Freudenhäuschen“ in Unterdeufstetten. Hier soll sich also alles ereignet haben. Komplett unglaubwürdig blicke ich die Steintreppe hinauf, die zu einem wirklich kleinen Haus unterhalb des Friedhofs führt. Eigentlich schön angelegt. Das Haus: schnucklig. Einige Unterdeufstetter berichten mir, dass es schon lange wieder bewohnt sei. Ich selbst frage mich: Wer will in so ein Haus ziehen? Ein Ort, der Grausamkeit und Höllenqualen widerspiegelt. Eine Bekannte von mir sagt, dass man es ausräuchern könne. Für einen günstigen Kaufpreis, würde es ihr nichts ausmachen. Es gäbe bestimmte Rituale, die Bluttaten und Böses vertreiben können. Mich selbst würde es schon faszinieren einmal hinter die Fassade zu blicken. Inmitten des Schauplatzes dieser sadistischen Bluttat stehen und mir über das Motiv Gedanken zu machen. Was treibt Menschen zu so etwas an? Normaldenkende und handelnde Menschen könnten sich niemals zu solch einer Tat hinreißen lassen. Jetzt hier an diesem Häuschen zu stehen lässt einen die Tat besser vorstellen. Der Friedhof gleich nebenan. Das Häuschen inmitten einer Nachbarschaft. Es ist komisch, dass niemand diese Qualen gehört hat. Besser gesagt gehört schon, nur hat man sich nichts dabei gedacht. Laut Südwest Presse sei es in diesem Haus nicht ungewöhnlich, dass es mal laut hergeht oder gewalttätige Ausschweifungen gemeldet werden. 

 

 Bild: Mordhaus Unterdeufstetten, von Lisa-Marie Irschik

Ich blicke auf meine Zeit als Mitarbeiterin im Gefängnis zurück. Als Kind sind mir die Täter öfters über den Weg gelaufen, da sie Beziehungen in Michelbach haben. Die Zwillinge von Thomas W. jun. wohnen neben meiner Oma in diesem Mehrfamilienhaus. Freddy R. stammt auch aus Michelbach. Die Gesichter sind nicht unbekannt. Als ich jedoch im Nachtdienst der Haller JVA hospitiere, lerne ich einen der Täter hinter Gittern ganz neu kennen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen kann nicht preisgegeben werden, welcher der drei Männer es ist, doch als er mich durch die Versorgungsklappe ansieht, kommt in mir erneut die Frage auf: Was läuft falsch bei diesen Menschen? Was bewegt jemanden so etwas zu tun und dafür 15 Jahre Haft auf sich zu nehmen? Die Psyche solcher Menschen hat mich schon immer fasziniert. Die Schwäbische Post berichtet, dass die Urteile dreimal lebenslängliche Haft für den Schrotthändler Thomas W., seinen Neffen Freddy R. und seine Lebensgefährtin Stefanie P. sowie 13 Jahre und sechs Monate Haft für seinen Sohn Thomas W. jun. gefällt worden sind, ohne Anordnung einer anschließenden Sicherungsverwahrung. Theoretisch haben die die Täter die Möglichkeit nach 15 Jahren wieder aus der Haft entlassen zu werden, so die Süddeutsche Post. Wir haben 2025. Wird es soweit kommen?

 

 


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